Charlot Strasser
Charlot Strasser (* 11. Mai 1884 in Bern; † 4. Februar 1950 in Zürich) war ein Schweizer Psychiater, Schriftsteller und Vertreter der Individualpsychologie.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Karl Ludwig (Charlot) kam als erstes von sechs Kindern des Anatomieprofessors Hans Strasser und der Marie geborene Freymond (1861–1922) zur Welt. 1887 wurde sein Vater als Direktor des Anatomischen Institutes nach Bern berufen. Seine Jugendjahre verbrachte Strasser in der Nähe des Instituts.[1]
Charlot schloss das Berner Literargymnasium 1902 mit der Matura Typus A ab. Von 1903 bis 1909 absolvierte ein Studium der Medizin in Bern, Berlin, Leipzig, München und Paris (Promotion 1912). während dieser Zeit entstand sein literarisches Frühwerk unter Anleitung des Berner Schriftstellers Joseph Victor Widmann.
Von 1906 bis 1907 reiste er durch Russland, China und Japan, wovon seine «Gedichte von einer Weltreise» und die «Reisenovellen aus Russland und Japan» berichten. Nach Abschluss des Studiums bereiste er Anfang 1910 als Schiffsarzt der Hamburger Kosmos-Linie Mittel- und Südamerika und schilderte seine Erlebnisse in der Novellensammlung «Das Pestschiff».
Nach seiner Rückkehr arbeitete Strasser kurze Zeit als Assistenzarzt der inneren Medizin am Berner Inselspital unter Hermann Sahli und für einige Monate an der Psychiatrischen Universitätsklinik Waldau Bern unter Wilhelm von Speyr. Von 1911 bis 1912 war Strasser Assistenzarzt unter Eugen Bleuler am Burghölzli. In Zürich entstand unter der Leitung von Heinrich Zangger seine Dissertation «Über die Kumulativverbrechen».
Strasser praktizierte ab 1913 bis zu seinem Tode als niedergelassener Psychiater in Zürich. Er war der erste Arzt, der Friedrich Glauser betreute. Hugo Ball hatte Glauser an Strasser vermittelt, der damals mit der literarischen Szene Zeit enge Beziehungen pflegte. Von 1935 bis 1944 war er ärztlicher Leiter des Männerheims zur Weid in Rossau (Gemeinde Mettmenstetten).
Zusammen mit Alfred Adler und Carl Furtmüller publizierte Strasser ab 1914 die «Zeitschrift für Individualpsychologie». Mit seiner Ehefrau Vera Strasser-Eppelbaum verfasste er Arbeiten, die sich kritisch mit der Psychoanalyse beschäftigten. Wegen des Ersten Weltkriegs mussten die Nummern 6 bis 9 der Zeitschrift im Juli 1916 in Zürich erscheinen.
Strasser hatte Vera Eppelbaum 1913 geheiratet. Sie stammte aus Kowel, war jüdischer Herkunft, Sozialistin wie ihr Mann, hatte in Bern und Zürich Medizin studiert und war bei Bleuler promoviert worden.[2]
Sein literarisches Werk umfasste expressionistische Novellen, welche die Zürcher Dada-Szene beeinflussten.[3]
Werke (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ein Sehen (1904)
- Gedichte von einer Weltreise und andere Lieder Zürich, Rascher, ca. 1909
- Reisenovellen aus Rußland und Japan (1911)
- Das Kumulativverbrechen. Ein Beitrag zur Psychologie der Kollektivverbrechen. Dissertation aus dem Gerichtlichmedizinischen Institut der Universität Zürich (Med. Diss. 1912). Publiziert in: Archiv für Kriminalanthropologie und Kriminalistik, 1913.
- In Völker zerrissen Zürich, Rascher, 1916
- Das Pestschiff (1918)
- Wer hilft? Zwei soziale Novellen, Frauenfeld/Leipzig (1918)
- Geschmeiss um die Blendlaterne (1933)
- Die braune Pest (1933)
- Kurpfuscher und Gaukler beuten dich aus. Genossenschaftsbuchhandlung, Zürich 1935[4]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Florian Gelzer: Charlot Strassers Schlüsselroman „Geschmeiß um die «Blendlaterne»“ (1933). Ein Psychiater behandelt die Zürcher Emigrantenszene. In: literatur für leser 3 (2005), S. 197–215.
- Thomas Huonker: Diagnose: «moralisch defekt». Kastration, Sterilisation und Rassenhygiene im Dienst der Schweizer Sozialpolitik und Psychiatrie 1890–1970. Orell Füssli, Zürich 2003, ISBN 3-280-06003-6. (PDF-Digitalisat, 286 Seiten, 762 kB; Digitalisat bei Internet Archive)
- Daniel Heinrich: Dr. med. Charlot Strasser (1884-1950): ein Schweizer Psychiater als Schriftsteller, Kultur und Sozialpolitiker. Zeitschrift Gesnerus: Swiss Journal of the history of medicine and sciences. Band 45, 1988 Heft 3–4 1988[5]
- Daniel Heinrich: Dr. med. Charlot Strasser (1884-1950). Ein Schweizer Psychiater als Schriftsteller, Sozial- und Kulturpolitiker. Dissertation, Zürich 1986, 183 Seiten.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Werke von Charlot Strasser im Projekt Gutenberg-DE
- Daniel Heinrich: Charlot Strasser. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- [1] Linsmayer: Der Erste Weltkrieg in der Schweizer Literatur
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ von Architekt Carl Strasser (1864–1937), dem Bruder seines Vaters, errichtete Villa «Finkenhubel» am Finkenhubelweg 20
- ↑ Alexander Kluy: Alfred Adler. Die Vermessung der menschlichen Psyche. Biographie, Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2019, ISBN 978-3-421-04796-0
- ↑ Daniel Heinrich: Dr. med. Charlot Strasser (1884-1950): ein Schweizer Psychiater als Schriftsteller, Kultur und Sozialpolitiker.
- ↑ Die Einleitung aus diesem Buch mit dem Titel »Wirtschaftliche Not schafft Aberglauben« wurde abgedruckt im Internationalen ärztlichen Bulletin, Prag, 2. Jg. (1935) Heft 1 (Januar), S. 5–8 Digitalisat
- ↑ e-periodica.ch: Dr. med. Charlot Strasser (1884-1950) : ein Schweizer Psychiater als Schriftsteller, Kultur und Sozialpolitiker
Personendaten | |
---|---|
NAME | Strasser, Charlot |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Psychiater und Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 11. Mai 1884 |
GEBURTSORT | Bern |
STERBEDATUM | 4. Februar 1950 |
STERBEORT | Zürich |